Karibu! Unter diesem Motto stand mein zweimonatiges Praktikum bei UWAKIKI. Karibu dada, karibu nyumbani, karibu kwetu und unzählige weitere Willkommensgrüße erleichterten mir den Eintritt in eine mir bis dato recht unbekannte Welt. Obwohl ich vor Antritt des Praktikums bereits sechs Semester Afrikanistik studiert hatte, war mein Erfahrungsschatz Afrikareisen betreffend sehr gering. Umso mehr freute ich mich da über die Betreuung in Deutschland durch Sandy Martens. Nach einem ersten Treffen mit ihr war meine anfängliche Angst so schnell verflogen, dass ich es gar nicht mehr erwarten konnte, nun endlich nach Kitahya aufbrechen zu können. Auch während meiner Reisevorbereitungen konnte ich mich stets an UWAKIKI mit all den Fragen wenden, die man so hat, wenn man sich in ein Abenteuer stürzen möchte. Für die Arbeit im Projekt plante ich zwei Monate ein, doch da ich auch den Rest des Landes entdecken wollte, nahm ich mir einen weiteren Monat Zeit zum Reisen.
Als es dann endlich losgehen konnte, war ich wahnsinnig aufgeregt. Meine erste Reisestation hieß Kampala in Uganda. Dort verbrachte ich zunächst eine Woche um mich etwas zu akklimatisieren und mein Busticket nach Bukoba zu organisieren. Rote Erde, kleine Shops am Straßenrand und viele lächelnde Gesichter, das waren meine ersten Eindrücke von Uganda. Da Kampala meiner Meinung nach keine wirklich schöne Stadt ist, sehr hektisch und etwas chaotisch, beschloss ich, die Großstadt zu verlassen und im Osten des Landes, die atemberaubende Natur zu erleben. Wasserfälle, Kaffeepflanzen und grün, grün, grün. Dann machte ich mich auf den Weg, die ugandisch-tansanische Grenze zu überqueren um nach einer Halbtagesfahrt Bukoba zu erreichen. Im Bus wurde mir schon in höchsten Tönen von Bukoba vorgeschwärmt, sodass ich meine Zweifel, ob mich Jescar wirklich am Busbahnhof empfangen würde, schnell vergaß. Leider bestätigten sich meine Befürchtungen und es wartete niemand auf mich. Glücklicherweise konnte ich die erste Nacht bei meiner neuen Busbekanntschaft unterkommen und hatte so die Möglichkeit mir Bukoba anzuschauen und gleich ein paar Kontakte zu knüpfen.
Am nächsten Tag traf ich Jescar dann zufällig und wir fuhren zusammen im überfüllten dalladalla nach Kitahya. Vom ersten Augeblick an verstanden wir uns sehr gut und scherzten die ganze Zeit miteinander. Wir fuhren auf unbefestigten Straßen, gesäumt von Bananenpalmen, Richtung Kitahya.
Auf dem Hof angekommen bezog ich zunächst mein kleines einfaches Zimmer und wurde dann herzlich von der ganzen Familie begrüßt. Karibu! Dann zeigte mir babu stolz die Felder und die Umgebung des Hofes. Ich fühlte mich von Anfang an gut aufgehoben, an ein Leben ohne Strom und fließend Wasser gewöhnte ich mich auch unerwartet schnell. Manchmal überlege ich sogar heute noch, ob ich dieses oder jenes nicht lieber per Hand waschen sollte anstatt die Waschmaschine einzuschalten. Zu den Kids in der Schule hatte ich ebenfalls sofort ein gutes Verhältnis. Sie waren so neugierig, lebenslustig und wissbegierig, dass es mir manchmal fast die Sprache verschlug. Zunächst hospitierte ich nur, doch bald merkten Jescar und ich, dass es notwendig war, die Klasse, bestehend aus 48 Schülern im Alter von 4 bis 8 Jahren, zu teilen, da uns erhebliche Niveauunterschiede aufgefallen waren. Von da an unterrichtete ich die fortgeschrittenen Schüler in Swahili, Englisch, Mathematik, Lesen und Schreiben. Vor allem die Swahilistunden musste ich besonders gut vorbereiten, obwohl ich an der Uni vier Semester Swahili gelernt hatte. Doch auf dieser Fremdsprache zu unterrichten stellte eine besondere Herausforderung dar. So verständigten wir uns teilweise mit Händen und Füßen, doch erstaunlicherweise funktionierte es immer. Den größten Spaß hatten die Kids aber beim Malen. Dann waren sie kleine Engelchen und ließen ihren Charme sprühen, wenn es darum ging noch ein paar Buntstifte mehr zu erhaschen als ihre Mitschüler. Während der Pausen spielten wir Memory und Fangspiele, doch die Bälle, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, waren besonders begehrt.
Während meiner Zeit in der Schule organisierte ich zusammen mit Jescar eine Essensküche für alle Schulkinder. Sooft es mir möglich war fuhr ich morgens vor der Schule mit dem Fahrrad ins Nachbardorf um die Zutaten für uji (dünnflüssiger Maisbrei) zu besorgen, damit wir in der Mittagspause das Essen kochen konnten. Doch Kinderbetreuung und Kochen gleichzeitig funktionierte nicht wirklich, deshalb beauftragten wir die (Pflege-) Mütter uns dabei zu helfen.
Eine weitere meiner Aufgaben bestand darin, den Bau des zweiten Klassenraums zu kontrollieren. Ich war dafür zuständig, dass die Bauarbeiter und die Lieferanten der Baumaterialien rechtzeitig ihr Geld bekamen, dass der Zeitplan eingehalten wurde und kümmerte mich um neue Sponsoren. Auf der Suche nach Geldgebern bemerkte ich, dass viele Leute bereit waren, etwas zu geben, sofern sie nur gut genug über die Projekte informiert wurden.
Als ich nach Kitahya kam, stand nur das Fundament des Raumes. Zwar versicherte man mir, dass ich bei der endgültigen Schlüsselübergabe dabei sein würde, doch am Ende verzögerte sich alles ein wenig, pole pole eben. Neben diesen Aufgaben arbeitete ich auch auf dem Hof der Familie mit. Wir pflanzten zusammen Mais und andere Nutzpflanzen an, und wenn möglich half ich auch bei der Ernte. Außerdem half ich im Haushalt, um meine Gastmutter zu entlasten. Ich unterstützte sie beim Kochen, Waschen und bei der Betreuung der Kinder.
Die erste Woche war, laut Jescar, meine „Schonwoche“. Ich sollte mich zunächst an die neue Umgebung gewöhnen. Manchmal war das mit dem Helfen aber gar nicht so einfach, man musste sich regelrecht aufdrängen, damit man mit anpacken durfte. Jescar hat sehr oft versucht, mich von jeglichen Haushaltspflichten fernzuhalten.
Oft begleitete ich Jescar bei Krankenbesuchen in Kitahya und den umliegenden Dörfern. Dadurch und durch den Besuch ehemaliger UWAKIKI-Mitglieder wurde ich in die Dorfgemeinschaft integriert und konnte am sozialen und kulturellen Leben der Wahaya teilnehmen. Alle waren sehr gastfreundlich und luden uns in ihre Hütten ein. Karibu kwetu! Auch das ein oder andere Gläschen selbstgebrannten Schnaps galt es hinunterzuspülen.
Während meines zweimonatigen Praktikums und insgesamt dreimonatigen Aufenthaltes in Tansania konnte ich meine Swahilikenntnisse verbessern. Diesbezüglich bekam ich vor allem von babu Andrew große Unterstützung. Er erteilte mir während meines Aufenthaltes im Dorf – soweit möglich - täglich Swahiliunterricht. Es war echt rührend, wie ernst er die Sache nahm und wie präzise er sich auf jede unserer Swahilistunden vorbereitet hatte.
Rückblickend kann ich sagen, dass die zwei Monate viel zu schnell vergangen sind. Zum Beispiel konnte ich an der Abschlussfeier meiner kleinen Engel nicht mehr teilnehmen. Wir hatten uns alle so schnell aneinander gewöhnt, dass es mir wirklich schwer viel, die Schule im speziellen und Kitahya im allgemeinen nach zwei Monaten zu verlassen. Nach so vielen „Karibu“-Willkommensgrüßen, war es leider auch irgendwann Zeit für ein kwa heri…