Praktikumbericht von Nadine Rosenkranz
Das Praktikum in der UWAKIKI – Organisation absolvierte ich in einem Zeitraum von drei Monaten, von Oktober 2005 bis Januar 2006.
Der Aufenthalt und die Arbeit in Afrika dienten dem Studium der Afrikanistik.
Aufmerksam auf die UWAKIKI – Organisation wurde ich durch Erfahrungsberichte von Kommilitonen, die das Praktikum absolviert haben. In diesen Berichten wurde die Arbeit in einem Kindergarten in dem Dorf Kithaya grob geschildert. Über die Homepage der UWAKIKI Organisation erhielt ich weitere Informationen und Anschauungsmaterial, sowie Adresse und Telefonnummer der Kontaktperson in Deutschland.
Dann galt es nur noch eine schriftliche Bewerbung einzureichen, darin der gewünschte Zeitpunkt und die Dauer des Aufenthaltes, sowie eine formlose Bewerbung bzw. Vorstellung an die Frauengruppe der Organisation in Kithaya.
Bald darauf erhielt ich die Zusage und weitere Vorbereitungen konnten beginnen.
Ich erhielt verschiedenen Listen über Materialien, die in der Schule benötigt werden, und traf eine Freiwillige, die das Praktikum bereits absolvierte und erhielt nützliche Tipps, im Umgang mit der Familie, sowie Tipps zur Reisevorbereitung.
Die Kosten für das Praktikum mussten ich im Prinzip selbst aufbringen, den Flug, Medikamente etc. Da es ein Pflichtpraktikum für mein Studium war, erhielt Auslandsbafög. Die medizinische Vorsorge, Schutzimpfungen und Medikamente, war am aufwendigsten und auch am kostenintensivsten. Alles weitere, etwa Reiseutensilien, Kleidung etc., stellte kein Problem dar, obwohl auch das nicht ganz billig war, zudem hatte ich, was die Kleidung betrifft, zu viel eingepackt und für einiges auch keine wirkliche Verwendung, z.B. dicken Pulli, auch die Regenjacke benutzte ich sehr selten, trotzdem es des öfteren geregnet hat.
Am 19.10. begann die Arbeit in der Schule. Zu diesem Zeitpunkt waren wir 3 Volontäre. Vor unserer Ankunft waren die Kinder in 2 Gruppen eingeteilt, Jesca unterrichtete die kleineren, Julia Pachmann die größeren Kinder. Wir, Jennifer und ich sollten uns nun jeweils eine Gruppe aussuchen. Ich entschied mich für Julias Gruppe, vordergründig, weil deren Anzahl wesentlich geringer war, als die der Gruppe von Jesca. Offiziell waren 17 Kinder, alle im Alter von 6-7 Jahren, im Klassenbuch meiner Gruppe vermerkt, jedoch waren nie mehr als 15 Kinder anwesend. Zwei der Kinder (Samson und Baau) habe ich so gut wie nie in der Schule gesehen.
Zunächst verfolgte ich Julias Unterricht nur, ohne großartig aktiv daran teilzunehmen: ich überprüfte die Anwesenheitsliste, half beim Verteilen der Hefte und Stifte und beim Kontrollieren der schriftlichen Aufgaben.
Aufgrund der hohen Anzahl der Kinder in Jescas Gruppe, ca. 33 Kinder, und deren unterschiedlichen Wissen- bzw. Leistungsstand, wurde die Gruppe zweigeteilt. Jennifer übernahm den Teil der Gruppe, der schon etwas besser lesen, schreiben und rechnen konnte.
Bald zeigten sich uns deutliche Differenzen in den Fähigkeiten der Kinder: während ich mit meiner Gruppe ziemlich leicht, mit einfachen Swahili, kommunizieren konnte, hatte Jennifer einige Probleme, da ihre Kinder kaum Swahili konnten, es nicht verstanden oder verstehen wollten. Während ich relativ mühelos mit den Kindern meiner Gruppe arbeiten konnte, indem ich ihnen diverse „standardisierte“ Aufgabenstellungen erteilte, hatte Jennifer einige Schwierigkeiten und musste einige Begriffe auf Kihaya lernen, um ihrer Gruppe Aufgaben zu erteilen.
Die Arbeit in meiner Gruppe fiel mir recht leicht. Nachdem Julia ihr Praktikum bei UWAKIKI Anfang November beendete, unterrichtete ich die Gruppe alleine weiter, änderte aber an der Art und Weise des Unterricht nichts. Die üblichsten Aufgaben waren rechnen, an der Tafel und im Heft (in sogenannter „Stillarbeit“), schreiben, in Form von Diktaten oder in spielerischer Art und Weise an der Tafel, sowie lesen, wiederholen einiger Buchstaben, wobei ich die Kinder zur Verbildlichung der gelernten Buchstaben bzw. Wörter dazu malen lies. Auch den Englisch-Unterricht, den Julia begonnen hatte, führte ich fort. Dazu gehörten Begrüßungen, Fragen nach dem Befinden und dem Alter und weitere Wörter, v.a. Gegenstände aus dem Alltag, die ich an der Tafel durch Bilder visualisierte.
Ich stellte auch in meiner Gruppe einige Differenzen bezüglich der Fähigkeiten und dem Leistungsstand fest. Zwei der Kinder, Florian Godwin und Neema waren stets am schnellsten in schriftlichen Übungen und waren meist Fehlerfrei, wohingegen andere, z.B. Happines, Naswiru und Respicius, sehr viel langsamer arbeiteten. Dennoch empfand ich das Leistungsniveau als ziemlich hoch.
Um den Unterricht aufzulockern wurde gespielt, z.B. Memory, wobei die Kleinen dauern mogelten, und gemalt.
Jescas Art zu unterrichtet hat mir weniger gefallen. Es war im Prinzip „Frontalunterricht“, die Kinder wiederholten lediglich stur Eingeprägtes.
Beinahe jeden Tag, um die Mittagszeit gab es uji für die Kinder. Obgleich die Zubereitung recht einfach war, störte es den Unterrichtsablauf, v.a. wenn Jesca den Raum verlies um das uji zu kochen, wurden die Kinder sehr unruhig und unaufmerksam, manchmal sogar unkontrollierbar. In solchen Fälle half meistens nur noch sie etwas malen zu lassen, um sie einigermaßen ruhig zu halten.
Um so etwas zu vermeiden sollten die Mütter bzw. Verwandten mithelfen, indem sie das uji zubereiten. Das hat nicht immer funktioniert: manchmal waren gleich 3 Mütter da, ein andermal gar keine!
Über Weihnachten und Sylvester hatten wir 4 Wochen Schulferien. Am letzten Schultag des Jahres 2005 gab es für meine Gruppe kleine selbstgebastelte Zuckertüten, da sie den Kindergarten verließen um im darauffolgenden Jahr die Primary School zu besuchen. Außerdem sollten sie ihre Schuluniformen erhalten, die wir größtenteils selbst finanzierten, doch ließ es die Arbeitsmoral des Schneiders leider nicht zu, die Uniformen zum vereinbarten Datum fertig zu liefern. Die Uniformen, ca. 20 Stück, konnten erst zu Beginn 2006, noch pünktlich vor Schulbeginn den betreffenden Kindern gegeben werden, was allerdings den Neid der im Kindergarten verbleibenden Kinder auslöste. Um sie auf zu muntern und zu motivieren, gab es dann zum ersten Schultag im Kindergarten für jeden eine kleine Zuckertüte, damit waren alle wieder zufrieden.
Während meiner Arbeit in der UWAKIKI Organisation wurde ein zweites Schulgebäude errichtet, da die Kapazität des einen durch ca. 50 Kinder ausgelastet war.
Nachdem die nötigsten Materialien zur Verfügung standen, lief der Bau recht zügig, bis sich herausstellte, dass die Deckenplatten durch Ungeziefer beschädigt waren, aber nicht mehr genügend Geld für Ersatz vorhanden war. Daraufhin galt es Geld ran zu schaffen: wir machten uns auf die Suche nach Sponsoren, hauptsächlich in der Hauptstadt Bukoba und bei diversen Firmen (Kagera Sugar) und Organisationen. Leider stellte sich dieses Unternehmen als wenig erfolgreich heraus, sodass das Schulgebäude im unfertigen Zustand, ohne Decke, eröffnet wurde und dieser Zustand sich bis zu meiner Abreise aus Kithaya nicht veränderte hatte.
Einer der Gründe für das unvollendete Schulgebäude scheint mir auch mangelnde Kommunikation, zum einen zwischen dem „Auftraggeber“, also der Organisation bzw. Jesca und den Bauarbeitern, zum anderen zwischen uns Volontären und der Organisation. Oft hatten wir z.B. Probleme von Jesca konkrete Antworten zu erhalten, im Bezug auf die Finanzen und den Schulbau, oder, oft sehr kurzfristig „geplante“ Aktivitäten (z.B. Waisenhausbesuch) und den damit verbundenen logistischen Problemen.
Zu alledem lies die Verlässlichkeit der Bauarbeiter, des Tischlers, als auch des Schneiders, sowie auf Zusagen anderer Parteien (Kagera Sugar), sehr zu wünschen übrig.
Auch das Gelände um das Gebäude herum wurde, mit Hilfe der Mitglieder der Frauengruppe, sowie von Elternteilen der Kinder aufgebessert: es wurden Blumenbeete angelegt, die „Toiletten-Häuschen“ wurden repariert und Grund zur Pflanzung angelegt.
Die Eröffnung des neuen Schulgebäudes erfolgte am 9. Januar 2006. Es wurden diverse Einladungen verschickt, an scheinbar wichtige Personen mit deren Namen ich aber reichlich wenig anfangen konnte! Ein Problem stellte auch hier die Finanzierung dar, welche vorerst auf uns abgewälzt werden sollte. Das Problem löste sich dadurch, dass eine Versammlung einberufen wurde, und durch Mitglieder sowie Helfer die Arbeit bzw. Vorbereitung aufgeteilt wurde: die Frauen bereiteten Essen zu, das Gebäude wurde geschmückt, die Vorsitzende der Organisation und Jesca, sowie die Kinder sorgten für die Unterhaltung der Gäste durch Gesang und Tanz.
Durch die Veranstaltung konnte sich die Organisation gut präsentieren, ein wenig Werbung machen und es werden eventuell weitere Sponsoren gefunden, um das Gebäude und den geplanten Spielplatz Fertigzustellen.
Zu den weiteren Aufgaben gehörten Besuche von Kranken und Behinderten Menschen im Dorf und der Umgebung, die im weitesten Sinne der Obhut der Organisation unterstehen. Es war zwar kaum möglich sich mit ihnen zu unterhalten, da meine Kihaya-Kenntnisse nicht über die Begrüßung hinausgingen, dafür brachte man etwas Seife, oder was sonst dringend benötigt wurde, als Gastgeschenk mit. Wir wurden immer sehr herzlich empfangen und teilweise verköstigt, beinahe zu viel des Guten, fühlten uns aber nicht immer richtig wohl, da es manchmal vorkam, dass über uns gesprochen wurde, man aber nicht wusste was, und ob es positiv oder doch eher negativ zu werten war.
Es kam auch schon mal vor, dass man auf der Straße gegrüßt wurde von Menschen, von denen man überzeugt war, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Da wir die einzigen Weißen im Umkreis von min. 30 km waren, war es fast unmöglich irgendetwas heimlich zu tun, deshalb schränkten wir den Zigarettenkonsum, zumindest im Dorf stark ein.
Das Dorfleben war ganz lustig, manchmal auch etwas langweilig. Mein Bücherkonsum steigerte sich enorm.
An das Leben ohne Strom und fließend Wasser gewöhnte ich mich sehr schnell, nicht jedoch an die Größe der Mahlzeiten, die Jesca zubereitete, obwohl sie sich sehr Mühe gab, sich auf unsere Essgewohnheiten einzustellen: die Mahlzeiten wurden etwas kleiner.
Das Leben auf dem Hof war recht schlicht und unkompliziert. Spezielle Arbeit bzw. Aufgaben hatte ich nicht; ich half gelegentlich bei der Küchenarbeit, z.B. Tomaten schnippeln, oder holte Wasser vom Wasserloch, obwohl ich mich dabei häufig erst durchsetzten musste, und wenn ich das geschafft hatte, liefen mir gleich die Kids hinterher, um mir behilflich zu sein.
Auch die Verständigung funktionierte besser, als ich mir vorgestellt hatte. Während ich mit Jesca und Babu hauptsächlich auf Englisch kommunizierte, war dies mit den Kids nur auf Swahili möglich, so dass ich meine Scheu zu sprechen relativ schnell verlor. Zudem erhielt ich Swahiliunterricht von Babu, was auch der Langeweile entgegenwirkte.
Das Verhältnis zu Jesca war ziemlich gut. Sie war immer sehr darauf bedacht, dass man ja genug isst. Die Verständigung mit Jesca war allerdings nicht immer so einfach, was aber nichts mit sprachlichen Problemen, sondern eher mit Missverständnissen bzw. wirren Geschichten von Seiten Jescas zu tun hatte. Dennoch gab es nie Folgen schwere Missverständnisse und nach einigen „Rätselraten“ erfuhr man, was man wissen musste.
Wir hatten auch sehr viel zu lachen, vor allem wenn sie Whitney Houston imitierte.
Sehr interessant war die Hierarchie auf dem Hof, im Prinzip stellte Babu das Familienoberhaupt, aber eigentlich hatte klein Jacky die Kontrolle über den Hof: mit ihren sieben Jahren wusste sie immer am besten, wie etwas, auf welche Art und Weise zu tun sei!
Von den anderen UWAKIKI Mitgliedern habe ich recht wenig gesehen bzw. gehört. Es gab zwei Versammlungen, doch nur eine, wobei es um die Schuleröffnungsfeier ging, war konstruktiv. Ich bekam den Eindruck, dass die meiste Arbeit in Jescas Händen liegt. Ich habe schon etwas Unterstützung von Seiten der anderen Frauen vermisst. Engagement zeigte sich erst bei der Eröffnungsfeier.
Im Allgemeinen waren die Menschen alle sehr freundlich, ob auf Reisen, im Hotel oder im Dorf. Oft profitierten wir vom „Wazungu-Bonus“, z.B. bei Verhandlungen über die Zimmerpreise oder Transportkosten. Natürlich kam es vor, dass man übers Ohr gehauen wurde, doch das bekam man an anderer Stelle wieder rein.
Etwas gewöhnungsbedürftig war die große Aufmerksamkeit, die einem zuteil wurde: plötzlich wollte jeder dein Freund sein, deine Adresse in Deutschland haben etc. Die Heiratsangebote hielten sich glücklicherweise in Grenzen.
Woran ich mich auch erst gewöhnen musste, war die Unzuverlässigkeit von Zusagen bei Terminen und Zeitangaben, vor allem bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Zeit ist halt relativ, und ich musste mich sehr in Geduld üben.
Das Praktikum war eine sehr gute Erfahrung, obwohl ich im vorhinein einigen Bammel hatte, vor der fremden Kultur und Sprache etc. Diese Ängste waren dann aber sehr schnell verflogen.
Trotz anfänglichen Heimweh, fühlte ich mir sehr wohl, und in der Familie gut aufgehoben und trotz meiner Unerfahrenheit im Umgang mit Kindern kam ich im Kindergarten sehr gut zurecht und verlor schnell meine Scheu.
Das Praktikum war eine tolle Erfahrung die mich persönlich ein Stück weiter gebracht hat.